Wie geht das mit der Onlineabstimmung denn nun wirklich…

Liebe Freunde,

Onlinetools zur Mitbestimmung der Politik wollen wir (als Piraten) liefern. Sicheres Abstimmen über Inhalte und Themen. Entwickeln von Gedanken und Thesen Online.

Dabei haben wir Liquid Feedback für unseren Gedanken einer Liquid Democracy benutzt um einen Zugang zu erhalten und Themen als Meinungsbilder zu erspüren. Nur ist da das Thema der Delegation mit drin, dem sehr viele Piraten, sogar ganze Landesverbände skeptisch gegenüber stehen. Das hat mit vielen Faktoren zu tun, unter anderem auch mit der Umgehensweise einzelner Gruppen, die jede Kritik am „Liquid“ schon fast wie eine Gotteslästerung behandelten. Die daraus entstehende Skepsis hätte durch gezielte Evaluation vielleicht ausgeräumt werden können. In Bingen scheint das Liquid als Testinstanz beschlossen worden zu sein, doch dieser Beschluss ist nicht bis zum Ende verfolgt worden, und zwischen drin hat ein Vorstand das System upgraden lassen. Ob das richtig oder nicht war, bewerte ich nicht. Es beendete die beschlossene Testphase ohne Evaluation in dem es das Programm in Betrieb überführte.

Im Prinzip arbeitet jeder LV an einer eigenen Lösung und wir haben andauernd Tooltimedebatten anstatt Inhaltsthemen zu bearbeiten, weil wir über das Wie uns nicht einigen können. Auch hier liegen die Ursachen an verschiedenen Dingen. Auch auf diese will ich heute nicht eingehen, weil ich heute Nacht bei Twittergesprächen mit @Alx42 und @einfachnurmark über 2 Dinge gestolpert bin. Zum einen die Arbeit des C3 oder auch CCC in Verbindung mit der Leistung einer niederländichen Gruppe beim Nedap-Hack. http://www.heise.de/ct/artikel/Schach-dem-E-Voting-290710.html

Der Anbieter hatte seine Wahlcomputer als „absolut sichere Hardware“ beschrieben. Leider musste er sich vom Spieltrieb unserer Hacktivisten eines Besseren belehren lassen. Das war der erste sehr schwere Schlag gegen das „System“ der Onlinewahl und analog auch der Onlineabstimmung. Dennoch wäre wohl das System weiter in Betrieb geblieben. Doch nun geschah das waskommen musste.

Gestützt auf diese Erkenntisse musste sich das BVerG mit dem Thema Wahlcomputer auseinander setzen Und hat das auch getan: http://www.heise.de/ct/artikel/Schach-dem-E-Voting-290710.html und das Gericht: https://www.bundesverfassungsgericht.de/entscheidungen/cs20090303_2bvc000307.html Dabei war das Gericht in besonderem Maße deutlich. Der CCC hat in seinem Artikel dazu eine klare Aussage aus dem Urteil wiederholt: http://www.ccc.de/de/updates/2009/wahlcomputer-urteil-bverfg

…haben die Karlsruher Richter klargestellt, dass nachvollziehbare und geheime Wahlen zum Kern unseres demokratischen Systems gehören. Dieser wird durch den Einsatz von Wahlcomputern ausgehöhlt. Es müsse auch „Menschen ohne technische Fachkenntnisse“ möglich sein, die Wahl komplett nachzuvollziehen. Dazu dürfen Wählerstimmen zu keiner Zeit einzig und allein in elektronischen Speichern abgelegt sein.

 

Das ist eine Patsche in das Gesicht von „Computerbegeisterten“ und „Mitbestimmungsphantasien“ denn diese Nachvollziehbarkeit zu jeder Zeit ohne techn. Fachkenntnis ist eine Hürde, in der defacto schon eine einfache Exceltabelle oder eine andere nicht „Winzigweich“, sondern intelligente Lösung des Problems dieser Anforderung nicht gerecht wird. Damit sind alle Formen unserer geheimen Abstimmungsideen so lange von Tisch, bis eine sichere Methode da ist, Daten ohne Verzug und Speicherung direkt zum Zählpunkt zu übertragen, und dem Abstimmenden die Gewissheit gibt, das seine Stimme seine Stimme ist und bleibt. Das sie nicht umgeleitet und umgedeutet werden kann. Meiungsaustausch ist damit Online jederzeit möglich, doch der Stimmzettel muss in die „RL Urne“ und der Einwerfende muss sehen, was dabei passiert. Auch eine animierte oder virtuelle Darstellung wird dem wiederum nicht gerecht.

Das ist echt „blöd“ um das mal salop mittels unserer Umgangssprache auszudrücken. Auf der anderen Seite steht dort Abstimmungen, die nicht geheim sondern offen und namentlich sind, nichts im Sinne dieses Urteiles entgegen. Dort kolidieren wir mit ganz anderen Regeln und Grundlagen. Eine davon resultiert aus dem BDSG. Unsere Aufgabe hier ist es jedem Piraten einen Grundschutz seiner informatorischen Selbstbestimmung, die das BVerG als Grundrechtswert eingestuft hat – im Volkszählungsurteil – zu gewähren und zu erhalten. Im BDSG § 3 Abs 9 werden politische Meinungen unter den besonderen Schutz des gesetztes gestellt. Bei Parteitagen und Abstimmungen werden durchaus durch Dokumentation und Film oder Fotos die Möglichkeiten geschaffen, das Abstimmungen nachvollziehbar werden, wenn mit etwas Aufwand das Stimmverhalten in Bezug zur Entscheidungsabfrage dokumentiert wird. Doch bei Onlineabstimmungen geht das natürlich deutlich darüber hinaus. Abstimmungen mit Klarnamen liefern ein analysierbares Bild der Politischen Meinungsäusserung. Lange Vorhaltzeiten garantieren eine sichere Erfassung der politischen Haltung von Menschen, und wir haben durch E. Snowden gelernt, das wir ohne hin überwacht und ausspioniert werden. Dieser Fakt ist aus dem Umfeld der VT’s damit zu einem Bestandteil unserer Realität geworden.

Um einem DV gestützten Profiling der Dienste aller Nationen entgegen zu wirken sind wir gezwungen, mit höchstem Massstab an Onlinetools zur Meinungsbildung heran zu gehen. Bevor der BEO online geht, muss es eine Vorabkontrolle geben, die in sachlicher und datenschutzgerechter Weise seine Zulässigkeit dokumentiert. Und es ist bitte keine Gefälligkeitsarbeit eines DSB, sondern eine Vorabkontrolle, die den Datenschutz auch wieder als Kernanliegen definiert. Als Netzpartei mit Visonen von sozialer Teilhabe und freiheitlichem Denken können wir es uns nicht leisten unseren Mitgliedern eine Dauerspeicherung ihrer Meinungen zu verordnen, die sie in jeder Hinsicht durch eine Verändernung der staatlichen Grundlagen ggf sogar in Lebensgefahr bringen kann. Wenn wir das tun, weil es uns wichtiger ist online abzustimmen, haben wir aus den Ereingissen der Vergangenheit in unserem Land und anderen Ländern deutliche zu wenig gelernt.

Die Datenschutzbehörde Berlin, in der ein Klarnamenliquid zur Prüfung vorlag hat auch hier sehr viele Bedenken formuliert. http://piraten-dsb.de/wp-content/uploads/sites/2/2013/11/BFDI_2012_10_02.pdf. Der Punkt 4 der Ausarbeitung der Datenschutzaufsichtsbehörde legt die Messlatten und die Richtungen fest, in denen sich das so gewünschte System bewegen soll. Wer von einer Datenschutzbehörde Anweisungen erwartet, im Sinne „mach das so und mach das so“ kann sich getrost das Thema ansehen, wie mit Datenschutz umgegangen wird. Datenschützer wirken auf den Einhalt des Datenschutzes hin. Sie befehlen ihn nicht. So auch die Behörde, solange ihre Empfehlungen ernst genommen werden.

Ziehe ich ein Fazit aus diesen verschiedenen Informationen so sehe ich keine rosige Zukunft für den BEO und alle anderen Abstimmungstools, die wir entwickeln können. Um die Kosten und das gesamte Prozedere anders zu gestalten sehe ich eher ein anderes System als derzeit umsetzbar an. Vor allem, wenn es alle Aspekte beachten soll. Den „Dezentralen Parteitag“. Auch dabei waren die Ideen gut und die Ausführungstests haben funktioniert. Auch die Ständige dezentrale Mitgliederversammung des LV RLP ist eine mögliche Lösungsorientierte Grundlage, denn hier werden die Anträge online eingereicht, die Aussprache findet online nachhaltig statt, auch über einen längeren Zeitraum. Rederechte werden nicht begrenzt oder beschnitten, da in einem Zeitraum jeder dazu schreiben kann was er mag, und jeder liest was er will. Sogar die Nachvollziehbarkeit der Diskussionen ist durch die Schriftform gegeben, und alleine zur Abstimmung geht es dann an lokale Urnen, die vor allem in Flächenländern überall gegründet sein können und gegründet werden können.

Allerdings sind bei dezentralen Parteitagen die Effekte der Meinungsführerschaften wohl etwas stärker als bei Grossversammlungen wahrnehmbar. Wir sitzen in einem Spielregelumfeld, das uns kaum echten Raum für faktische Lösungen bietet. Also, müssen wir mit Brückentechniken und Brückenideen das ganze Problem angehen und Lösen. Dabei würden sicher die Kosten bei dem Veranstaltungen anders aussehen. Nur brauchen wir dazu eine andere Regelung und Idee unserer BPT und LMV bzw LPT Struktur. Es bleibt also spannend, wie wir unsere Ziele einer Liquid-Democracy gerecht werden und dabei keine der uns wichtigen Regeln, aber auch keine der gesetzlichen Vorgaben unterlaufen.

Lasst es uns Ändern!
Euer

Thomas

5 Gedanken zu „Wie geht das mit der Onlineabstimmung denn nun wirklich…

  1. a) Bingen wurde keine Testinstanz beschlossen.
    b) Frage in Bingen: Würdest Du nach Liquid Abstimmungen dich richten? was dann, machen oder gehen. Keiner hat das gehalten.
    c) Liquid kann Vorstände stärken. Nicht schwächen. Ohne Liquid keine Sinnfreien Anträge.
    d) Wahlcomputer, Fazit. Es gibt halt einfach keine nachvollziehbaren Verfahren die anspruchsgerecht mit Inhalt für „Lischen Müller“ klappen. Sie kann es nicht verstehen…
    e) der DSB Berlin ist keine Behörde, es ist der Landesbeauftragte für Datenschutz. Da er auch Parlamentsaufgaben hat, ist er unabhängig aufgestellt.
    f) Parteien haben ganz viele Rechte wie sie mit der innerparteilichen Willensbildung umgehen. Selbstorganisen sind meistens Gerichtssicher wenn fundamentalste Grundlagen der Demokratie beachtet sind.
    g) Das BDSG sagt klar das auch die besonderen Daten gem. § 3 Abs. 9 durch einen geklärten Rechtstatbestand dennoch nutzar sind: § 28 Abs 9 regelt unsere Möglichkeiten für die Nutzung dieser Daten fest und sicher.

    Infos gerade per Telefon erhalten.

  2. Das Thema ist wichtig und wir müssen darüber viel stärker diskutieren. Danke daher für diesen Beitrag.

    Wie gerade auch im Twitter diskutiert, wird bei oben genannten Urteil und den datenschutzrechtlichen Erwägungen leicht ein wichtiger Punkt außer acht gelassen:
    Die gleichberechtigte Teilhabe aller Menschen.
    Wenn der Datenschutz verbindlich festlegen würde, dass eine sichere Wahl nur über Urnenwahl möglich wäre, würde dieses in der Praxis bedeuten, dass einige Menschen von der Teilhabe ausgeschlossen werden: Menschen mit Behinderungen, die nicht zum Wahllokal kommen können, Menschen die aus gesundheitlichen Gründen nicht können, oder auch -wenn man an den Parteitag der Piraten denkt- Menschen, die sich aus wirtschaftlichen und zeitlichen Gründen es sich nicht leisten können zur Wahl zu kommen.
    Kann man über letzte noch streiten, da es wohl Möglichkeiten gäbe, etwas einzurichten und man es somit auf freie Wahl des einzelnen zurückführen kann, nicht teilzunehmen, ist es bei ersteren anders. Wenn ein Mensch der Wählen will es nicht kann, dann haben wir ein Problem. Und zwar eines von Verfassungsrang.

    Das Szenario ist also das folgende:
    Wir haben ein wie auch immer geartetes digitales System, welches es Menschen mit Behinderungen erlauben würde, an der Wahl teilzuhaben.
    Ein solches System könnte unter den selben Urteil fallen, wie das oben zitierte Urteil hinsichtlich der Nedap-Geräte (muss es aber nicht!). Also aus datenschutzrechtlichen Gründen nicht akzeptabel sein. Aber was, wenn es nun die einzige Möglichkeit der Teilhabe wäre?
    In dem Fall würde das Urteil in Frage gestellt werden müssen, da es das Gleichbehandlungsprinzip aller Menschen in Frage stellt.
    Leider hat das Gerichtsurteil diesen Teilaspekt nicht behandelt 🙁

    Wie auch immer wir hier streiten und diskutieren -und das müssen wir, denn ein „Wahlcomputer sind aus Datenschutzgründen tabu. Punkt“, ist zu einfach, zu sehr Politik 1.0- wir müssen eine Lösung für alle Menschen finden. Und dies schließt eben auch Menschen mit Behinderungen mit ein.

    Ein Nebenaspekt des Ganzen ist die Frage der Nachprüfbarkeit. Auch hier stellt sich die Abwägung: Wenn ein System es ermöglichen würde, dass alle Menschen dran teilnehmen, wäre es dann statthaft, es nur wegen mangelnden Nachprüfbarkeit durch Laien abzulehnen?
    Sollten wir nicht vielleicht diskutieren, ob es man auch eine Nachprüfbarkeit durch Experten erlaubt, wenn dadurch alle Menschen beteiligt werden können?

    Ein System wo wir dies bereits tun ist allseits bekannt und bei Wahlen etabliert.
    Es nennt sich Briefwahl.

    Auch hier ist eine Überprüfbarkeit durch Laien in der Praxis unmöglich. Oder glaubt jemand ernsthaft, die Post würde ermöglichen, dass irgendwelche Wahlbeobachter den Weg eines Briefes vollständig nachzuverfolgen, einschließlich des verwendeten Briefkastens?

    Die Briefwahl ermöglicht es vielen Menschen mit Behinderungen und Menschen mit gesundheitlichen Problemen überhaupt erst an der Wahl teilzunehmen.
    Die Briefwahl wird auch trotz bekannter Sicherheitsprobleme zugelassen und genutzt. (Unwitzigerweise hat die Sicherheit sogar nachgelassen – Verfahren die vor 10 Jahren die Briefwahl in den Kommunen deutlich sicherer machten, wurden inzwischen vielerorts aufgrund von Kostengründen wieder weggelassen. Z.B. bei der Plausibilitätsüberprüfung der Wahlunterlagen.)

    Was nun die Piratenpartei angeht, so finde ich sollten wir hier auch einen weniger absolutistischen Weg eingehen. Sprich: Nicht nur das eine Wahlverfahren zulassen.
    Gerade bei Personenwahlen wäre als Option denkbar, die Kandidatenliste frühzeitiger zu schliessen und somit Briefwahl über bekannte Kandidaten zu ermöglichen. Was würde es uns kosten? Spontankandidaturen wären unmöglich. Schade. Was würde es uns bringen: Auch Leute von zu Hause könnten abstimmen und müssten nicht kommen.
    Wer dagegen vor Ort abstimmen möchte, möge es auch dort tun.

    Auch andere Verfahren und Optionen wären denkbar. Wie eben auch eine Kombination mit dem oben erwähnten dezentralen Parteitag.

    tl;dr: Statt uns auf die „BASTA“-Argumentation des Datenschutzes zurückzuziehen und dabei still zu stehen, sollten wir uns endlich dran machen, das Problem zu lösen: Wahlen müssen für jeden Menschen möglich sein. Es darf keine Einschränkung der Teilhabe geben. Als Piraten sind wir doch die mit den kreativen Ideen. Warum fangen wir nicht an, endlich diese Nuss zu knacken?

  3. Auch wenn alle einer Meinung sind, kann diese falsch sein:
    Was ist Demokratie?
    Welche Folgen hat das ARISTOKRATISCHE Mittel Wahl?
    Wie entstehen feudalistische Strukturen?
    Was ist Teilhabe?
    Wie entsteht Wissen?
    Ist zur Teilhabe nicht Wissen vorausgesetzt?
    Kann durch unveränderliche Form überhaupt Wissen entstehen?
    Welchen Sinn hat es, über etwas abzustimmen, von dem der einzelne Mensch keine Ahnung hat, weil er es nicht nachvollziehen kann?
    Kann sich aus einer Form ein Inhalt oder gar eine Bedeutung ergeben?

    Das Problem ist sicher nicht die Abstimmung.

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