Über Bundeparteitage, Aufstellungsversammlungen und Richtungsstreit …

Hols der Drache was ist denn nun passiert,
oder wie man von einer sensationellen Europa Liste zu einer Flaggenparade kommt

Das wichtigste natürlich wie immer zuerst: wir haben ein #Flaggengate. Die ganze Twitter Filter Bubble explodiert, denn auf dem Bundesparteitag in Bochum hingen tatsächlich zwei antifaschistische Fahnen. Daneben hing auch noch eine Fahne der Queeraten und es gesellte sich auch noch eine Orange Europa Fahne ungefähr viermal so gross dazu. Ich glaube es hingen sogar auch noch andere Fahnen. Ganz ehrlich, ich weiß es nicht mehr. Und es ist mir auch ehrlich gesagt nicht wichtig.

Wir haben gewählt: ich Klau‘ jetzt mal aus einer unsere Pressemitteilungen „An die Spitze der Liste wurde die Frankfurterin Julia Reda, Expertin für die Themen Urheberrecht, Asyl und Transparenz, gewählt. Auf dem zweiten und dritten Platz folgen Fotios Amanatides aus Köln und Anke Domscheidt-Berg aus Brandenburg.“

Damit haben wir an der Spitze der Liste drei Menschen, drei Piraten stehen, die in ganz besonderem Maße die Qualität und Qualifikation der Piratenpartei in Deutschland wiedergeben und wiederspiegeln. Ob die Themen wie es im digitalen Zeitalter weitergeht, was mit den Menschen ist die nach Europa kommen, oder in Europa ihre Lebensgrundlage immer weiter gefährdet sehen, oder ob es um die Sicherheit Europas sowie die fachlichen Aspekte einer globalen Zusammenführung aller Anstrengungen zum Ende der Kriege geht, oder ob es wirklich um unternehmerische und wirtschaftliche Sachkompetenz geht, mit diesen drei sind wir so gut aufgestellt wie wir es kaum besser sein könnte.

Ich habe leider vom Bundesparteitag, der mit der Aufstellungsversammlung zusammen durchgeführt wurde, nicht einen einzigen Antrag mitbekommen. Das liegt nicht daran das ich zu faul war den Stream zu verfolgen und das liegt auch nicht daran dass es mich nicht interessiert hätte. Das liegt schlicht und ergreifend daran, dass ich wie viele Mitglieder der BPT Orga einfach aufgrund eigener Aufgaben nicht die Zeit hatte den Parteitag zu verfolgen.

Dafür war ich mit einer unglaublich anderen wichtigen Sache mindestens achtmal beschäftigt. Ihr könnt euch bestimmt denken was es ist, oder? Natürlich waren es die Fahnen, wer hängt was auf, warum darf wer es aufhängen, wo darf denn was nun hängen, was darf denn da natürlich nicht hängen, wer da wen denn nun aufhängen #ohwait …

Aus meinem Verständnis von Bremen: Unsere, der antifaschistischen Aktion nahestehenden Piraten haben bereits in Bremen für etwas Arbeit und Aufregungen im Team der Sicherheit gesorgt, als sie ohne Rücksprache hinten im Saal die Antifa Fahne an die Wand klebten. Einsatz des Teams, die Fahne kommt runter. Wenig später stand die Fahne auf dem Tisch so dass die Versammlungsleitung die dahinter sitzenden Stimmkarten nicht mehr sehen konnte. Einsatz des Teams, die Fahne kommt runter. Natürlich organisiert Doktor Müller Lüdenscheid sofort dass die Fahne wieder steht.. Einsatz des Teams: DIE. FAHNE. KOMMT. RUNTER! Hurra die Fahne hatte einen neuen Platz, jetzt stand sie selbstverständlich im Rettungsdurchgangsweg, der glücklicherweise in Bremen so breit war, dass die Teamsicherheit sagen konnte, der Rettungsweg wird davon nicht beeinträchtigt. Vier Einsätze des Teams Sicherheit und ein Einsatz des Teams Mainorga, da hat sich die Diskussion doch wirklich gelohnt.

Immerhin in Bremen konnten wir mit einer kombinierten Hausordnung aus Vorschriften der Messe und eigenen Zielen und Wünschen des Bundesparteitags konkret auf die Hausordnung abgestellt sagen: ja oder nein. Durch das sehr kurze Zeitfenster der Organisationsvorbereitung vor Bochum war das leider nicht mehr möglich, eine Hausordnung mit der Leitung des Ruhr Kongresszentrums zu vereinbaren, so dass als Hausordnung lediglich die des Ruhrkongresses zur Verfügung stand. Dazu nutzten wir dann eben die Anweisungen der Mainorga und der VL.

Nach Beginn der Versammlung entschied sich der Versammlungsleiter entsprechende Räume an der hinteren Rückwand zur Nutzung von Fahnen freizugeben. Zu diesem Zeitpunkt war ich noch in dem Glauben, dass nachdem es auch wirklich keinerlei inhaltliche Diskussion über die gleichen Fahnen, die jetzt zum Fahnengate geführt haben in Bremen gab, die Aussagen der Fahnen als Positionen von Piraten wahrgenommen werden. Nicht als Aufruf oder Verherrlichung von Gewalt interpretiert. Ebensowenig als Parteimeinung. Tja meine lieben Piraten, da ist es Euch wirklich gelungen mich eines Besseren zu belehren.

Neben den unglaublichen auf Twitter geführten Kommunikationssträngen zum Thema „böse Flagge“ gab es auch innerhalb des Auf- und Abbaus durchaus kontroverse Ansätze. Ein beherzter, mutiger und überaus eigeninitiativer Pirat hat alles nur Mögliche unternommen um die Fahnen während der Veranstaltung abzuhängen. Leider überschritt er dabei auch Grenzen, nämlich die Grenze bei der Wahrheit zu bleiben. Seine gut gemeinte aber doch irreführende Meldung dass es eine Brandschutzentscheidung zum Abhängen der Fahnen gäbe, erwies sich als nicht substantiell.

Die Art und Weise der geführten Diskussion auf dem Parteitag und auf Twitter führte bei der Versammlungsleitung meines Erachtens nach zu der Haltung, dass der Parteitag oder die Aufstellungsversammlung sich selbst entscheiden muss: Flagge hängt oder Flagge kommt runter. Da kein derartige Antrag gestellt worden ist, blieb die Flagge hängen.

Auch wenn der Disput zwischen dem engagierten Piraten, der die Flaggen abhängen wollte und dem nicht weniger begeisterten Piraten der die Flagge aufgehängt hat emotional geführt wurde, und in der verbalen Ausdrucksweise für externe Beobachter eindeutig zu wünschen übrig ließ, bin ich Beiden sehr dankbar, dass Sie aufgrund Ihrer Integrität und Intelligenz es bei einem gegenseitigen Anknurren belassen haben und keine Sicherheitskräfte nötig waren, um schlichtend einzugreifen. Ich kann beide Seiten vollständig nachvollziehen und verstehen. Als Teamleiter der Sicherheit ist es nicht meine Aufgabe zu bewerten wer Recht hat, sondern die Aufgabe in angemessener Form unter Beachtung aller den Frieden wahren Möglichkeiten nach Weisung des Versammlungsleiters oder des Leiters/des Verantwortlichen der Mainorga für einen ungestörten Ablauf der Versammlung zu sorgen.

Also die Ergebnisse aus meiner Sicht: Wir haben eine Liste. Wir haben einen durchgeführten Bundesparteitag, der zu einer Reihe von konkreten Ergebnissen geführt hat. Wir haben ebenfalls eine Unterhaltung über die innere Ausrichtung der Partei. Und dürfen dabei in aller Ruhe feststellen, dass wir bei allen Differenzen und allen Diskussionen über die Ausrichtung der antifaschistischen Aktion und der zweiten schwarz-roten Fahnen ihre Bedeutung nicht vergessen. Die Piraten sind nicht links, nicht rechts, sondern sind die Bürgerrechtskraft, die in Übereinstimmung mit den Werten unseres Grundgesetzes und der Zielrichtung einer bürgernahen transparenten Politik mit angemessener Datensicherheit und ohne Kontrolle durch staatliche Institution etwas Besonderes erreichen werden. Unsere Aufgabe liegt lediglich darin darüber die Öffentlichkeit zu informieren. Das gelingt uns indem wir unsere Themen transportieren, es gelingt uns nicht, indem wir Fahnen als politische Kernaussagen stilisieren.

Heute beschäftigen wir uns vor allem mit:

  1. Dem Transparent machen der Freihandelsabkommensabsprachen
  2. Der Datensammelwut unserer Behörden und Geheimdienste
  3. Der Bereitschaft zur Eskalation durch die Polizeiführung bei Demonstrationen, die lediglich den Ausdruck der Menschen und ihre Besorgnis als Kerninhalt haben
  4. Die ganz massive Beeinträchtigung der freiheitlichen Grundrechte durch Polizeiaufgebot
  5. Die Regeln des ALG II

Lassen wir uns also nicht von Anderen die Darstellung aufzwingen, dass wir gewaltbereit seien, denn das sind die Piraten nicht. Als Piraten lehnen wir den Einsatz von Gewalt zur Durchsetzung von politischen Zielen ab. Und ich hoffe, das habe ich richtig verstanden, denn es ist mein blog und damit meine Meinung. Es beschreibt auch mein Selbstverständnis als Pirat. Wir befinden uns dennoch auch in einer Situation, wo wir die Einschränkung unserer freiheitlichen Grundrechte nicht mehr zulassen dürfen. Denn wenn wir Sie weiterhin zulassen entsteht ein Umfeld in dem wir nicht mehr in der Lage sein werden, dem Grundgesetz Geltung zu verschaffen. Wir finden uns in der Lage, dass wir vor der Gewalt des Staates eingeschüchtert zurücktreten werden. Gewalt ist kein Ansatz zur Durchführung von politisch motivierten Zielen. Unser Ansatz ist der mit Worten und friedlichem Handeln vorgetragene Protest als Schlüssel zur Wahrnehmung von Bürgerwillen seitens unserer gewählten Vertreter im Bund und in den Ländern. Unsere Würde ist nicht anzutasten und unsere Freiheit nicht einzuschränken, unsere Daten gehören uns und wir entscheiden über ihre Verwendung. Diese Bundesrepublik Deutschland gehört uns allen. Sie ist unser Zuhause auf dem Weg in ein offenes, demokratisches und freies Europa! Dafür haben wir in Bochum unsere Liste aufgestellt.

Wir sind keine Instrumente einer anders gerichteten politischen Richtung und auch keine Galionsfiguren, die sich instrumentalisieren lassen. Wir sind was wir sind: Piraten!

 

Herzlich Euer

Thomas